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Russischer Tisch, Sankt Petersburg, Heinrich Daniel Gambs zugeschrieben



Russischer Tisch, Sankt Petersburg, Heinrich Daniel Gambs zugeschrieben

Guéridon mit achteckiger Tischplatte und erhöhtem Rand, eingelegt mit einer zierlichen Messingverzierung. Die Tischplatte liegt auf vier schlanken Säulen aus massivem Mahagoni, die durch sich überkreuzende, eingelegte Traversen verbunden sind. Die Säulen stehen auf vier geschnitzten, vergoldeten und patinierten Sphinxen, die auf einer quadratischen taillierten Platte ruhen. Die Füße der Sphinxe kräuseln sich grazil über den Rand der Platte. Das Ganze wird von vier massiven Füßen aus Mahagoni mit vergoldeten Knorren getragen.
Heinrich Gambs (1765–1831) wurde in Württemberg, Deutschland, geboren und begann seine Laufbahn unter der Leitung von David Roentgen. In den späten 80er Jahren des 18. Jahrhunderts zog er nach Sankt Petersburg, wo er eine Möbelwerkstatt gründete. Schnell hatte er einen Namen, wurde berühmt und konnte die Elite der Stadt mit den schönsten modischen Möbelstücken beliefern. Schon 1793 bestellte Maria Feodorowna einen Schreibtisch bei Gambs. Das war der Beginn einer langen Beziehung zur Zarenfamilie. Katharina bat ihn 1795, die Wohnräume ihres Enkels Alexander einzurichten, und ab 1801 durfte Gambs sich Möbelmacher des Hofes nennen. Danach belieferte er fast ausschließlich das Zarenhaus für dessen Paläste, unter anderem für Pawlowsk, Zarskoje Selo und den Winterpalast.

So weit bekannt ist, hat Gambs kein einziges seiner Möbelstücke signiert. Zuschreibungen basieren auf immer wiederkehrenden Elementen, wie dem Material, den Formen und den Verzierungen.
Vor allem die Dekoration mit geometrischen Messingornamenten auf geschwärztem Untergrund ist ein Merkmal, das man bei den Mahagoniholzmöbeln von Gambs antrifft.
Heinrich Gambs entwickelte eine Technik, bei der bestimmte Teile der Möbelstücke mit einem Band aus dunklem Holz, eingelegt mit perforierten Messingfriesen unterschiedlicher Breite, dekoriert wurden. Allgemeines Kennzeichen seiner Möbel sind Füße und Armlehnen in der Form von Adlern, Greifen und Sphinxen. Seine frühen Werke besaßen derartige Füße aus bemaltem oder lackiertem und vergoldetem Holz. Später zierten seine Möbel auch Bronzestatuen.
Dieser Guéridon wurde wahrscheinlich von Heinrich Gambs nach einem Entwurf von Andrei Woronichin (1759–1814), dem berühmten Architekten und Designer, gefertigt. Woronichin und Gambs arbeiteten bei verschiedenen Gelegenheiten zusammen, vor allem bei der Einrichtung von Pawlowsk, dem Palast, der nach dem großen Feuer von 1803 neu ausstaffiert wurde. 

Die Bedeutung von Heinrich Gambs für die Entwicklung der russischen Möbel im frühen 19. Jahrhundert wurde vor kurzem in einem Buch von Dr. Ugleva über den Möbelmacher und seine Familie beschrieben. Dr. Ugleva zufolge war die Werkstatt von Gambs einzigartig und führend in Sankt Petersburg. Gambs hatte im 19. Jahrhundert großen Einfluss auf die Fertigung der Möbel in ganz Russland, und zwar nicht nur in Bezug auf die Entwürfe, sondern auch in technischer Hinsicht. Gambs’ Möbel waren von höchster Qualität, sodass die Bezeichnung „Gambs’ Möbel“ in der russischen Sprache eine besondere Bedeutung bekam, die das hohe Niveau des Unternehmens widerspiegelte. In einem russischen Wörterbuch aus der damaligen Zeit war der Name Gambs nicht nur eine Handelsmarke, sondern auch ein Synonym für wertvoll, mit dem Erwerb eines Möbelstücks von Gambs kaufte man anders gesagt nicht nur eine Sache, sondern auch ein Gefühl der höchsten Form von Schönheit, Komfort und zweifelsohne auch von Mode und Prestige. 
Ugleva weist darauf hin, dass der Begriff „Gambs-Möbel“ zum Synonym für Luxus, Reichtum und Geschmack wurde und so auch Einzug in die russische Literatur, die Klassiker des 19. Jahrhunderts, hielt, so heißt es beispielsweise bei Puschkin: „in seinem Gambs-Stuhl träumen“ und in Turgenews „Väter und Söhne“: „Weit nach Mitternacht saßen sie in einem breiten Gambs-Sessel vor dem Kamin“. Der Ausdruck findet sich sogar in einem der bekanntesten Werke der Sowjetliteratur, in „Zwölf Stühle“ von Ilf und Petrow.
In Gogols „Tote Seelen“ stellt der Erzähler Mutmaßungen an, warum jemand Reichtum auf unehrliche Weise erwerben möchte: „Wir alle haben Schwächen … ein anderer bestiehlt seine eigenen Kinder wegen einer leichtlebigen Schauspielerin … oder wegen einiger Gambs-Möbel. … Was soll man angesichts so vieler Versuchungen in der Welt tun.“

Dieser Guéridon war ein Geschenk von Zar Nikolas II. an den spanischen Botschafter in Sankt Petersburg, den 7. Grafen von Villagonzalo, Mariano Miguel Maldonado y Davalos (1851–1901), der schon 1891 von der spanischen Krone zum akkreditierten Vertreter ernannt wurde. Diese Funktion wurde 1896 in die des Botschafters geändert, wodurch Villagonzalo der erste Botschafter Spaniens im russischen Reich wurde. 
Während seines Aufenthalts in Sankt Petersburg entstand eine enge Freundschaft zwischen Zar Nikolas II. und Villagonzalo. Der Zar erwähnt ihn sogar in seinen Tagebüchern:
Samstag, den 20. April 1896. Es war ein prächtiger Tag, wir gingen zusammen spazieren und sahen viele Anemonen. Nach dem Frühstück empfing ich Graf Vollagonzalo (sic), der hier zunächst spanischer Gesandter war und jetzt Botschafter ist.
Daraus lässt sich schließen, dass die beiden nicht nur eine Geschäftsbeziehung hatten, sondern auch befreundet waren. In den Tagebüchern des Zaren steht normalerweise nichts über derartige Besuche, die er vermutlich jeden Tag erhielt, nur wenn es um engere persönliche Beziehungen ging, hielt der Zar solche Begebenheiten in seinen Tagebüchern fest.

1899 wurde Villagonzalo der kaiserliche Alexander-Newski-Orden verliehen. Dieser Ritterorden hat im Laufe der Jahrhunderte die Wechselfälle der russischen Geschichte durchlaufen. Im Kaiserreich der Zaren und in der Sowjetunion gab es ihn in zwei unterschiedlichen Formen und heute ist er in einer dritten Version einer der Orden der Russischen Föderation.
Dieser Orden war unter den Zaren hohen Militärs vorbehalten. Seine Verleihung – wie auch die der übrigen russischen Orden – bedeutete, dass der Träger in den Adelsstand erhoben wurde. Daher ist es sehr ungewöhnlich, dass der spanische Botschafter ihn erhielt.
 
Der 7. Graf von Villagonzalo war ein leidenschaftlicher Kunstsammler und besaß unter anderem eine umfangreiche Gemäldesammlung. Wie oben dargestellt, war der Name Gambs in Russland gegen Ende des 19. Jahrhunderts noch immer ein Synonym für „kostbar“ und „Qualität“. Dieses Geschenk des Zaren war daher nicht einfach nur eine Aufmerksamkeit, sondern ein kostbares Präsent, das von den Erben Villagonzalos mehr als hundert Jahre lang gehegt und gepflegt wurde.

Literatur:
N. V. Ugleva, Heinrich Gambs Furniture, Moskau 2016
A. Chenevière, Russian Furniture, The Golden Age 1780-1840, London 1988, Nachdruck, 2001

Russischer Tisch, Sankt Petersburg, Heinrich Daniel Gambs zugeschrieben
Preis auf Anfrage
Provenance
Geschenk des russischen Zaren Nikolas II. an den 7. Grafen von Villagonzalo, Mariano Miguel Maldonado y Davalos (1851–1901), spanischer Botschafter in Sankt Petersburg von 1893 bis 1897, bis heute durch Vererbung.
Epoche
ca. 1810
Material
Kiefernholz, mit Mahagoni furniert, und massives Mahagoni, mit Messing eingelegt; patinierte, holzgeschnitzte, vergoldete Sphinxe
Abmessungen
78 x 63 x 63 cm

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