Das erst kürzlich wiederentdeckte Gemälde der büßenden Maria ist eine wichtige Ergänzung zum Werk des deutschen Künstlers Ulrich Loth. Werke von Loth sind selten und kommen nur sporadisch auf den Markt. Sein beschriebenes Œuvre umfasst 92 Gemälde, von denen 48 als verschollen oder mit unbekanntem Verbleib als verborgen gelten. Aus der letztgenannten Liste kann nun dieses Gemälde dem besonders kleinen Œuvre Ulrich Loths hinzugefügt werden.
Dargestellt ist Maria Magdalena in einem rot-weißen Gewand. Sie sitzt vor einem Felsen, die Hände in Gebetshaltung gefaltet, den Blick nach oben gerichtet. Vor ihr liegen ein aufgeschlagenes Buch, ein Totenschädel und ein Kreuz, ein Reisigbündel als Geißel und ein Salbgefäß. Rechts hinter ihr ist der Kopf eines Dämons zu sehen.
Maria Magdalena war ein beliebtes Motiv in der Kunst des 16. und 17. Jahrhunderts, vor allem in der katholischen Kirche. Als sündige Frau wurde sie schließlich zu einem Apostel Christi und von der Kirche heiliggesprochen. Damit wurde sie zum Vorbild dafür, dass es nie zu spät ist, seine Sünden zu bereuen und dafür zu büßen. Durch Buße und Reue fand Maria Magdalena den richtigen Weg, als sie auf ihren Reichtum verzichtete. Die Kirche nutzte ihre Phantasie und ihre Geschichte, um zu zeigen, dass sich Buße lohnt, und um die Gläubigen zu überzeugen, ihren Reichtum der Kirche zu geben.
Ikonographisch ungewöhnlich ist die Darstellung des Dämons neben Maria Magdalena in Verbindung mit dem Salbgefäß und dem Buch. Nach der Bibel handelt es sich bei diesen Attributen um einzelne Figuren, die in der Frühzeit der katholischen Kirche zu einer Einheit verschmolzen wurden. Nach dieser traditionellen westlich-katholischen Auffassung werden im Neuen Testament drei Frauengestalten als eine identifiziert: Maria Magdalena, Maria, die Schwester von Martha und Lazarus, die auch Magdalena genannt wird, heute aber als Maria von Bethanien bekannt ist, und die anonyme Sünderin aus Lukas 7, die Jesus die Füße mit einem kostbaren Öl salbt. Dafür spricht auch, dass Maria Magdalena mit offenem Haar dargestellt ist, was damals ein gesellschaftliches Tabu war.
Obwohl das Gemälde nicht signiert ist, handelt es sich bei dem Künstler mit Sicherheit um den süddeutschen Maler Ulrich Loth (geb. vor 1599 – gest. 1662), einen der führenden Künstler Münchens im 17. Jahrhundert. Loth war Schüler von Peter Candid (Peter de Witte, geb. 1548 – gest.1628) und wurde später Hofmaler Maximilians von Bayern.
Von großer Bedeutung war sein vierjähriger Aufenthalt in Italien zwischen 1619 und 1623, der den letzten Abschnitt seiner Ausbildung darstellte. Loth kehrte als erster deutscher Nachfolger Caravaggios nach Deutschland zurück. Obwohl er heute relativ unbekannt ist, wurde der Manierismus in Deutschland zu dieser Zeit entscheidend von Loth geprägt. Er war ein aktiver Maler, der nach seinem Rücktritt als Hofmaler im Jahr 1629 zahlreiche Aufträge von Kirchen, dem freien Markt und dem Hof, der ihn nicht vergessen hatte, erhielt. Sein späteres Werk ist von Rubens beeinflusst und zeigt, dass er weiterhin der europäischen Mode folgte.
Der Einfluss Caravaggios ist in dem Gemälde der Büßerin Maria Magdalena deutlich zu erkennen, im scharf ausgeleuchteten Hintergrund und in der stark gebeugten Haltung der Magdalena mit entblößter Schulter in verkürzter Perspektive.
Ulrich Loth malte 1630 eine fast identische Komposition. Das Gemälde, das sich heute in den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen in München befindet, wurde von einem bayerischen Adelspaar in Auftrag gegeben, wovon das gemalte Familienwappen in der oberen Ecke der Leinwand zeugt. Ob das vorliegende Gemälde vor oder nach diesem Auftrag entstand, ist nicht bekannt. Bekannt ist, dass Loth, wie auch Caravaggio, die büßende Magdalena häufig als Motiv wählte.
Im Schloss Schleißheim müssen zahlreiche Werke des Hofmalers Johann Ulrich Loth gehangen haben, doch sind viele seiner Werke bereits vor 1760 aus dem Schloss verschwunden. Bestandslisten des Schlosses aus den Jahren 1748 und 1765 zeigen, dass es dort mindestens zwei Werke von Loth mit diesem Thema gab. Obwohl die angegebenen Maße nicht übereinstimmen, ist das vorliegende Gemälde wahrscheinlich doch in dem 1748 unter der Inventarnummer A 748/1 und 1765 unter der Nummer A 751/1 beschriebenen Werk zu erkennen. Die angegebenen Maße von 134 x 103 cm weichen nämlich um 11 bis 12 cm ab, was Platz für einen Rahmen von 5,5 bis 6 cm lässt. Anders als heute war es damals nicht unüblich, die Größe eines Gemäldes einschließlich des Rahmens anzugeben. In Loths Werkverzeichnis, in dem „Die büßende Magdalena“ aus Schloss Schleiβheim unter den Werken mit unbekanntem Verbleib aufgeführt ist, heißt es, dass sich das Gemälde vor 1748 im Schloss befand und 1751 zum letzten Mal gesehen wurde. Somit kann dieses Bild heute, mehr als 250 Jahre später, erstmals wieder identifiziert werden.
Literatur:
Ulrich Loth; Zwischen Caravaggio und Rubens, Exh. cat. Alte Pinakothek München 2008, p.118,119, p.287
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