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Sächsischer Serpentin-Bierkrug mit vergoldeter Silbermontierung



Sächsischer Serpentin-Bierkrug mit vergoldeter Silbermontierung

Dieser imposante Bierkrug mit Deckel besteht aus einem balusterförmigen Trinkbecher aus Serpentin, der in der Mitte und etwas unterhalb des oberen Endes mit Montierung in Form von Bändern aus vergoldetem Silber versehen ist. Der Fuß trägt eine Montierung in Form eines Standrings aus vergoldetem Silber, verziert mit stilisiertem Akanthusblatt. Den C-Voluten-förmigen Henkel schmücken eine Karyatide und am unteren Ende ein Salamander. Der Deckel trägt eine Montierung in Form eines Scharniers, verziert mit Blumenmotiven und einer Daumenablage in der Form einer Seejungfrau mit zwei Schwänzen, auch „Sirena bicodula“ genannt. Der Deckel aus vergoldetem Silber ist reich mit stilisierten Blattmotiven und auf der Oberseite mit ausgearbeiteten Blättern dekoriert und wird von einem stilisierten Tannenzapfen bekrönt.

Serpentin ist ein mineralischer Halbedelstein, der hauptsächlich in Sachsen in Deutschland zu finden ist. Die Textur dieses Minerals erinnert an Schlangenhaut, eine Eigenschaft, die dem Stein seinen Namen gegeben hat. Seit dem Mittelalter wurde Serpentin als ein Material mit magischen Kräften angesehen. Man dachte, dass der Stein Gift unschädlich machen könnte oder zerbrechen würde, wenn er mit Gift in Berührung kommt. Diese vermeintlichen Eigenschaften erklären die Beliebtheit des Serpentins als Material für Trinkbecher in königlichen oder Kreisen des Hochadels. Auch die Abbildung des Salamanders auf dem Henkel passt zu dieser Symbolik, denn viele dieser Tiere sind giftig, ebenso der Gesang der „Sirene“, der für arglose Zuhörer unwiderstehlich ist, aber nichtsdestotrotz zu deren Tod führt. Zudem ist Serpentin porös, was zur Folge hat, dass der Inhalt des Bechers infolge der Kondensation kühl bleibt.

Schon im späten Mittelalter wurde Serpentin in Sachsen, vor allem in Zöblitz, als Ausgangsmaterial für die angewandte Kunst gewonnen. Die älteste Quelle, in der von Serpentin die Rede ist, datiert aus dem 15. Jahrhundert, aber das älteste bekannte Objekt, in dem das Material verarbeitet wurde, stammt aus dem Jahr 1590. Diese Objekte hatten einen hohen Status und wurden oft mit einer Montierung aus Silber und/oder Gold versehen. Kurfürst August I. von Sachsen (1526 -1586), der sich als „Serpentindrechsler“ bezeichnete, besaß den alleinigen Anspruch auf Förderung von Serpentin in Zöblitz. So hatte er die Kontrolle darüber, wer über dieses kostbare und begehrte Material verfügen konnte. Daher ist es auch nicht verwunderlich, dass die größte Sammlung mit Montierung versehener Objekte aus Serpentin in der Sammlung des „Grünen Gewölbes“ in Dresden zu finden ist. August verschenkte nichtsdestotrotz luxuriöse Objekte aus Serpentin mit Montierungen in seinem Umfeld. Das bedeutete, dass Serpentin fast ausschließlich dem Hochadel vorbehalten war. Noch exklusiver war roter Serpentin, der aufgrund eines Edikts aus dem Jahr 1665 nur zur Herstellung von Geschirr für den sächsischen Hof verwendet werden durfte. [„Von nun ab darf der rote Serpentin nur für den Hof, für Tafelgeschirr verwendet werden.“]

Ab der Spätrenaissance sind mit Montierungen versehene Objekte aus Serpentin ein begehrtes Sammlerobjekt für die „Kunstkammer“ oder „Wunderkammer“ europäischer Könige und Aristokraten. Diese Sammlungen spiegelten den europäischen Geschmack wider, sowohl in Bezug auf die Wunder der Natur als auch im Hinblick auf vom Menschen geschaffene besondere Artefakte. Natürliche Materialien wie Serpentin, aber auch Muscheln und Kokosnüsse wurden teilweise mit Montierungen aus vergoldetem Silber verschönert, um dann als sehr seltene und wertvolle Objekte zur Schau gestellt zu werden. Dieser kostbare Trinkbecher passt ausgezeichnet zur Atmosphäre der Wunderkammer, weil er eine außergewöhnliche Kombination aus exklusivem Mineral und Silberschmiedekunst von sehr hohem Niveau darstellt, aber auch aufgrund der vermeintlich magischen oder physikalischen Kräfte, die dem Material nachgesagt wurden. Auch die Daumenablage in der Form einer Sirene – halb Mensch, halb Tier – passt in diese Atmosphäre symbolischer Verbindungen zwischen Natur und Kultur.

Wenngleich die Wunderkammer-Objekte oft ein funktionelles Design haben, wurden sie doch in erster Linie gefertigt, um als Ausstellungsobjekte zu dienen. Als sich der europäische Handel ab 1600 auch auf Asien, Afrika und Amerika auszudehnen begann, wurden exotische Objekte allerdings weniger außergewöhnlich. Ab 1630 gab es mit Montierung versehene Becher nicht mehr nur in königlichen Kreisen, sondern auch in Haushalten von Wohlhabenden, die nicht dem Adel angehörten. Diese Objekte wurden oft mit anderen Kunstschätzen wie Porzellan und Sammlungen seltener Muscheln und Korallen zur Schau gestellt.

Das hier präsentierte Exemplar kann jedoch aufgrund seiner hohen Qualität und seiner Montierungen aus vergoldetem Silber als äußerst selten angesehen werden. Viel häufiger findet man Trinkbecher aus Serpentin ohne Montierung oder Becher mit Montierungen aus Zinn. Ein Becher mit einer Montierung aus vergoldetem Silber wurde ohne Zweifel gefertigt, um zu beeindrucken. Serpentin in der Kombination mit Silber war vor allem den Fürstenhäusern und dem Hochadel vorbehalten oder als diplomatisches Geschenk gedacht. Nicht alle sächsischen Bierkrüge aus Serpentin wurden von deutschen Silberschmieden mit Henkeln und Deckeln versehen. Zwei Beispiele mit englischen Montierungen, auf ca. 1620 datiert, befinden sich in der Sammlung des Victoria & Albert Museums in London. Zur gleichen Sammlung gehört auch ein sächsischer Trinkbecher aus Serpentin, dessen Montierungen auf 1643 datiert sind und möglicherweise in Schweden gefertigt wurden.

Während Krüge aus Serpentin mit silbernen Montierungen in Schweden selten waren, findet man im 17. Jahrhundert eine größere Anzahl an Artefakten aus Serpentin ohne Montierung, beispielsweise Schalen, Teller und Salzfässer, die offenbar sehr beliebt und in vielen schwedischen Haushalten vorhanden waren. Das Schloss Skokloster zum Beispiel besitzt die größte Sammlung von Objekten aus Serpentin ohne Montierung aus dem 17. Jahrhundert, die offenbar alle dem schwedischen Staatsmann, Diplomaten und Feldmarschall Carl Gustav Wrangel (1613 - 1676) gehörten.

Auf der Innenseite des Deckels des hier beschriebenen Bierkrugs ist ein Wappenschild eingraviert, das zunächst fälschlicherweise als das der Familie Schiller aus Herden katalogisiert wurde. Das Wappenschild gehörte jedoch der österreichischen Familie von Hagen. Das Wappen findet sich in Siebmachers Wappenbuch, das 1605 in Nürnberg veröffentlicht wurde, und besteht aus einer nach links oben weisenden Pfeilspitze in Silber in einem azurblauen Feld. Darüber befinden sich eine Grafenkrone und ein Helmschmuck aus drei Federn. Die Blutlinie der Familie von Hagen ist vermutlich schon vor Ende des 17. Jahrhunderts erloschen.

Wie oben bereits erwähnt, wurde das Anbringen der Montierungen aus Silber an den Objekten aus Serpentin nur selten in Zöblitz selbst durchgeführt. Die gedrechselten Bierkrüge aus Serpentin wurden in Städte gebracht, die als wichtige künstlerische Zentren galten, beispielsweise nach Augsburg oder Nürnberg, wo sie mit den kostbaren Montierungen versehen wurden. Die Meister sind allerdings nur selten bekannt, nur in einigen wenigen Fällen kann die Arbeit einem Meister zugeschrieben werden. Die beeindruckenden Montierungen dieses Bierkrugs stammen jedoch von dem Augsburger Matthäus I. Seutter, der 1574 geboren wurde und ab 1602 als Silberschmied aktiv war. 1604, zwei Jahre nach seiner Meisterprüfung, trat er der Gilde der Silberschmiede bei. Seutter heiratete 1603 und starb 1632. Alle von ihm bekannten Werke, hauptsächlich Krüge und Kannen, weisen Vergoldungen auf.

Literatur:
E. Hoyer, Sächsischer Serpentin : Ein Stein und seine Verwendung, Leipzig 1995

Sächsischer Serpentin-Bierkrug mit vergoldeter Silbermontierung
Preis auf Anfrage
Provenance
Versteigerung Drouot am 7. Dezember 2011, Lot 41, Zuschlag: Euro 42.000 S. J. Phillips, London Privatsammlung
Epoche
1624
Material
Serpentin mit vergoldeter Silbermontierung
Signatur
Silberschmied: Matthäus I. Seutter (Meister von 1602 bis 1632 in Augsburg)
Abmessungen
20.5 cm

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